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„Jetzt müsst ihr aber bald mal ein Haus kaufen!“

 - Warum der „Traum vom Eigenheim“ bei uns keine Hauptrolle spielt

Als unsere erste Tochter geboren wurde, fing das Umfeld schon an. Jetzt wo unser zweites Mädchen noch dazugekommen ist, hören sie nicht mehr auf... die Kommentare, die einem suggerieren wollen, dass man als vierköpfige Familie ja ein Haus kaufen/gebaut haben sollte oder zumindest mal eine große (Eigentums(!?)-)Wohnung benötigt. Und manchmal glaube ich das schon selbst, aber auch nur ab und an. Zum Beispiel, wenn mir unser tatsächlich viel zu kleines Badezimmer auf die Nerven geht, oder das Babymädchen nicht einschlafen will und ich mit ihr im engen Schlafzimmer fast auf der Stelle trete, da ich nicht durch den Wohnungsflur gehen möchte, um das große Mädchen nicht zu wecken. 
Zugegeben, unsere Wohnung ist tatsächlich etwas klein (aber gut geschnitten;-)). Der Hauptteil besteht aus drei Zimmern, Minibad und kleiner Küche) und umfasst 65qm. Zusätzlich steht uns noch ein über den Hausflur zu erreichendes kleines Appartement zur Verfügung, das als Arbeits-, Wäsche-, Gästezimmer und Abstellkammer dient. Es ist nochmal ca. 14qm, inkl. eines weiteren Minibadezimmers. (Minibad definiert sich so, dass man auf der Toilette sitzend die Zähne putzen kann, weil das Waschbecken quasi direkt anschließt und man auch nur einen Schritt von diesem Ort benötigt, um die Dusche zu betreten.) Dieses zweite Bad, war aber schon oft Gold wert... und unser Multifunktionsraum, den Gäste normalerweise nicht betreten (außer wenn sie bei uns übernachten, dann räumen wir dort aber vorher mal auf ;-)) erst recht.
Die Hauptwohnung bietet uns ein größeres Wohn-/Esszimmer (knappe 20qm), ein Schlaf- sowie ein Kinderzimmer, wobei diese beiden Zimmer verglichen mit so manchem Neubaugrundriss auch schon fast riesig sind - jeweils etwa 13qm. (Kaum eine Neubauwohnung bietet Kinderzimmer jenseits der 10qm an, wohingegen der Wohnessbereich (Wohnturnhalle?) oft um die 40qm oder sogar noch mehr umfasst...?!, das Konzept dahinter geht mir (noch?) nicht ganz auf...) 
Momentan reicht uns der Platz eigentlich. Die einzigen Situationen, in denen ich mehr Platz vermisse, sind Geburtstagsfeiern und Besuch von mehr als 2 weiteren Kindern plus Anhang. 

Was viele Menschen in unserem Umfeld aber gar nicht wahrnehmen (wollen): 
So eine kleine Wohnung biete auch ganz klare Vorteile

Ein schlagkräftiges Argument: Man muss nicht viel putzen!
Ich kann unsere Wohnung i.d.R. in einer guten Stunde vom Schlachtfeld in einen vorzeigbaren Zustand verwandeln. Das Bad ist binnen weniger Minuten komplett geputzt. Kann man z.B. täglich nach dem Duschen machen. Weil, wenn man in unserem Minibad geduscht hat, ist eh fast schon der ganze Boden nass. Spätestens, wenn man die beiden Glastürflügel geöffnet hat, und das Tropfwasser heruntergelaufen ist. Da kann man gerade auch noch die ca. 1,5qm drumherum mit dem Lappen abwischen ;-)

Noch ein Argument: Man beherrscht sich viel mehr, was die Anschaffung von so genanntem „Kram“ angeht
Wir haben nur die Sachen, die wir regelmäßig benötigen, in der Wohnung. Der Rest ist im Keller oder in unserem Multifunktionsraum am Ende des Hausflurs. Man denkt so dreimal über eine Neuanschaffung nach und kommt oft zu dem Schluss, dass man es eigentlich nicht braucht. 

Noch ein Hauptargument: Die Miete ist unschlagbar günstig
Wenn mir das Umfeld immer mit diesem dummen Spruch „Bevor ich Miete zahle, zahle ich doch lieber einen Immobilienkredit ab“ kommt, kriege ich innerlich immer die Krise über so viel Naivität. Das ist sowas von undurchdacht. Was zahle ich denn an Miete (also Kaltmiete) und was bekomme ich alles dafür? Wir zahlen hier unter 500€ Kaltmiete monatlich. Ich bin dafür aber völlig sorgenfrei. Ich muss mich weder um Reparaturen kümmern, noch eine Rücklage bilden, noch an irgendwelchen Eigentümerversammlungen teilnehmen oder sonst irgendwas. Und Reparaturen kosten ja bekanntlich nicht nur Geld, sondern auch Nerven. Ich muss mich dann im Herbst, wenn die Heizung plötzlich spinnt, nicht ans Telefon hängen, um zu hoffen, irgendeinen  Heizungsbauer zu finden, der sich meines Problems annimmt. Nö! Ich ruf meinen Vermieter an und der regelt das dann und muss sich an die Strippe hängen und einen Termin vereinbaren und auf den Handwerker warten, der dann doch nicht kommt, und dann nochmal einen neuen Termin, dann mit jemand anderem vereinbaren, der dann - zwei Stunden später als vereinbart - auch tatsächlich kommt und dann eine überteuerte Rechnung stellt, die man dann anfechten muss usw...
Von diesem Luxus mal abgesehen.... Was steckt denn in der monatlichen Rate, die der stolze Eigenheim"besitzer(?)“ monatlich zu zahlen hat? Das ist doch auch nicht nur Tilgung! Da ist auch ein ganz großer Teil Zinsen enthalten! Dieses Geld ist für mich viel mehr in den Wind geschossen, als meine Miete, denn für die Miete erhalte ich viel mehr Gegenleistung (vor allem Sorgenfreiheit) als nur, dass ich Geld leihen durfte. 
Zu dem gängigen (Haupt-)Argument unseres Umfelds, dass Miete ja quasi „verlorenes Geld“ sei, wird dann gerne noch die Niedrigzinsphase als „Trumpf“ herangezogen, um die absolute Dringlichkeit eines zeitnahen Immobilienerwerbes zu untermauern.... da kriege ich dann die zweite innerliche Krise. Vor allem kommt dieses Argument dann grundsätzlich von Leuten, die mit Null Eigenkapital (oder gerade einmal den Nebenkosten in der Tasche) ihren Immobilientraum finanzieren...   
Ja... genau... es ist super clever jetzt ein Haus für 500.000€ mit 2% zu finanzieren, das eigentlich nur 350.000€ zu Zeiten kosten würde, in denen nicht jeder Depp ein Haus kaufen kann, weil man für geliehenes Geld 8% zahlen und Eigenkapital von 50% mitbringen muss, um überhaupt an eine Finanzierung zu kommen. 
Ich denke, wenn bald alle ihren individuellen Haustraum „befriedigt haben“, dann aufwachen und merken, „ups... ich kann die Anschlussfinanzierung nicht stemmen“, weil die Niedrigzinsphase zwischenzeitlich vorbei ist, die Nachfrage nach Häusern gesättigt und das eigene Traumschloss zu seinem realistischen Preis wieder verkauft werden muss, da es noch lange nicht abgezahlt ist, dann relativiert sich die Einstellung zur Miete und dem angeblich zum Fenster herausgeschmissenen Geld schnell wieder. 

Das eigene Haus - der Endgegner im „Spiel des Lebens“?
Zudem schleicht sich einem immer mehr der Verdacht auf, dass viele Familien/Paare im Umfeld meinen, das Leben in einer eigenen Immobilie sei eines der höchsten Güter, quasi ein wertvolles Ziel, das es final zu erreichen gilt. ("Man schafft einen Wert" - Hä?) Erst dann lebt man so richtig, oder so....
Ich denke dann oft: Es ist auch nur ein Haus oder eine Wohnung.... es ist dann immer noch die gleiche Familie, das gleiche Paar, was darin wohnt. Nur dadurch, dass man im Eigenheim lebt, potenziert sich doch nicht das Lebensglück. Im Gegenteil! Wie viele Familien rackern sich ab, gehen viel mehr arbeiten, als ihnen selbst und der Familie gut tut, weil „wir müssen ja das Haus finanzieren“ (Wie oft ich den Spruch schon gehört habe... Die Kinder dürfen dann ganztags im Kindergarten oder noch schlimmer schon ab einem Jahr oder gar wenigen Wochen oder hier - grenznah zu Luxemburg nicht unüblich - ab 9 Monaten von "fremden Menschen" in der Krippe betreut werden*,  und das alles für den Traum vom Haus?!). Das führt dann doch eher zu Verstimmungen und Stress und Zeit für die Kinder oder die Partnerschaft fällt hinten runter... 


Nun denn, dem Badezimmerproblem werden wir früher oder später vermutlich mit einer größeren Mietwohnung oder einem gemieteten Haus begegnen oder wir kaufen eben doch, aber nur wenn es sich locker finanzieren lässt und sich gegenüber einer Mietwohnung tatsächlich als finanziell vorteilhaft erweist (eiskalt berechnet und nicht romantisch gefühlt). Und solange wir noch in unserer "kleinen aber feinen" Altbauwohnung in bester Wohnlage residieren, stelle ich mir einfach vor, wir lebten in London oder in der Upper East Side in New York, denn dort wäre unsere Wohnungsgröße für eine vierköpfige Familie vermutlich als angemessen oder sogar komfortabel zu bezeichnen. :-)


*Anmerkung: Wenn eine Familie zwei Gehälter zum Leben in bescheidenen bis normalen Verhältnissen benötigt, muss man für Kinderfremdbetreuung in jungen Jahren dankbar sein und sie in Anspruch nehmen. Aber für den "Luxus" Eigenheim die spannendsten  ersten Entwicklungsschritte der eigenen Kinder verpassen?


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